Nun war meine Entscheidung also entgültig gefallen. Ich werde Solomama. Mit all seinen Ups and Downs. Auf dem Weg dorthin galt es noch einige Punkte zu erledigen. Fleißige Leser:innen wissen es bereits: In meiner Kinderwunschklinik brauchen Solomütter neben einer Garantieperson auch einen Nachweis über eine psychosoziale Beratung.
Beratung, keine Begutachtung
Als der Arzt mir das erste Mal davon berichtete, dache ich zuerst, eine psychosoziale Beratung für Solomütter bedeutet, dass ein Gutachten über mich erstellt würde. Eines, das bescheinigt, ob ich oder in welcher Form ich dafür geeignet wäre, Solomama zu werden. Diese Vorstellung bereitete mir zunächst Sorgen, aber irgendwie war ich auch davon überzeugt, dass ich eine positive Bewertung erhalten würde.
Und auch bei diesem Schritt dachte ich wieder, wie verdammt ungerecht es doch sei, dass ich dieses Gespräch führen muss. „Normale“ Eltern müssen sich in keinster Weise beraten lassen. Weder wenn das Kind geplant oder ungeplant entsteht.
Und es ärgerte mich, dass ich auch noch 95 € dafür zahlen muss und mir das Geld, dass ich so dringend als Alleinerziehende bräuchte, in sowas stecken muss. Wollte ich mir aber meinen Wunsch erfüllen musste ich meinen Ärger schlucken und mich den Wünschen der Kinderwunschklinik beugen. Also los, es nützt ja nichts. *seufz*
Die Kinderwunschklinik, bei der ich war, arbeitete im Rahmen der psychosoziale Beratung für Solomütter mit zwei Psychologinnen zusammen. Ich ließ mir also die beiden Namen und Kontaktdaten geben. Dann dachte ich nicht länger darüber nach und rief einfach eine an. Überraschenderweise bekam ich ein paar Tage später direkt einen Termin. Aufgrund der Corona-Situation und der Tatsache, dass die Psychologin zu dem Zeitpunkt nicht gut zu Fuß war, vereinbarten wir einen Online-Termin via Facetime.
Vorab teilte sie mir mit, dass das Gespräch ca. 1 h dauern würde und dass sie mich bezüglich einer Solomutterschaft beraten würde. Puh, kein Gutachten also, dachte ich. Immerhin.
Im Gespräch gegenüber saß mir eine ältere Frau, die meines Erachtens schon im Rentenalter war.
Inhalte der Beratung
Sie begann damit, dass ich mir mit meiner Entscheidung, den schwierigsten Weg ausgesucht hatte, ein Kind groß zu ziehen. So ganz alleine ohne Unterstützung. Na, wie super, dachte ich.
Ich sollte dann ein wenig über mich erzählen. Meine Biographie, wie es zu dem Vorhaben gekommen ist, etc.
Die Beraterin ging dann mit mir bestimmte Situationen durch, die im Laufe der Solomutterschaft auf mich zukommen können. Dabei ging sie auch ein auf Situationen, in denen der Vater präsent werden würde, ohne anwesend zu sein. Zum Beispiel, sprach sie die Projektion an. Also die unbewusste Zuschreibung von Gefühlen oder Phantasien auf einen anderen Menschen, die orginär von einem selbst kommen. Projektionen können auftreten, wenn das Kind z. B. etwas anderes macht als dass, was man von sich selbst kennt. Und dass man diese Eigenschaften dann dem Vater und nicht sich selbst zuschreiben würde. Oder dass man das Aussehen des Vaters automatisch nach der Geburt im Gesicht des Babys suchen würde. Tatsächlich scheint es ja von der Natur aus so gegeben, dass Neugeborene eher dem Vater ähnlich sehen.
In der Beratung ging es dann damit weiter, dass es für mich wichtig sein würde, mir Unterstützung zu holen. Dies sei eine Stärke und keine Schwäche. Auch sprach die Psychologin an, dass es z. B. Mutter-Kind-Kuren gibt, die man in Anspruch nehmen könnte.
Na, das passt ja gut, dachte ich mir. Ich war eh gerade dabei, zuzulassen, mehr Unterstützung anzunehmen und das Gefühl loszulassen, alles alleine machen und durchstehen zu müssen.
Austausch und Vernetzung
Die Psychologin empfahl mir zudem, mich intensiv zu vernetzen. Sie nannte mir Anlaufstellen, wie zum Beispiel das Jugendamt, an das ich mich in vielerlei Hinsicht wenden könnte.
Sie betonte auch, dass es wichtig sei, dass sich das Kind nicht wie ein ‚Alien‘ fühlen sollte. Dass es daher wichtig sei, dass es Kontakt zu Kinder hat, die unter den gleichen Umständen aufwachsen. Die Psychologin meinte, dass es in meiner Stadt Gruppen von Frauen gibt, die in meiner Situation wären und mit denen ich mich vernetzen sollte. Diese Frauen würden sich u. a. im Park zum Picknick treffen, wo viele Kinder (und Mütter) unter ihresgleichen wären.
Auch sagte sie, sei es für die Entwicklung des Kindes bedeutend, dass sie in eine Krippe oder eine Kindertagesstätte kämen. Dass Kinder gerne dorthin gehen würden. Das hat mich persönlich sehr entlastet, da ich auch meine Arbeit sehr mag und mein Kind dann währenddessen ruhigen Gewissens dorthin gehen lassen kann. Win-Win. 🙂
Wir sprachen auch über die Möglichkeit, mein großes soziales Netzwerk in die Kindererziehung einzubeziehen, damit ich als Mutter auch mal verschnaufen kann. Oder Ersatz-Großeltern und einen Babysitter einzubinden.
Die Beraterin machte mich auch darauf gefasst, dass ich Personen begegnen würde, die meine Entscheidung nicht verstehen würden. Und dass ich u. a. mit diesen Personen nicht über die Thematik sprechen möchte.
Der abwesende Vater
Was den Umgang mit dem nicht anwesenden Vater gegenüber dem Kind angeht, so empfahl sie mir, daraus kein Geheimnis zu machen. Ganz im Gegenteil, riet sie mir, schon auf dem Wickeltisch das Thema anzusprechen, damit das Kind wie selbstverständlich damit aufwachen würde.
Was den allgemeinen Umgang mit dem Kind angeht, betonte sie, dass man in der Erziehung besonders aufmerksam sein sollte, was das Kind braucht. Man sei eben allein und daher auch allein dafür verantwortlich, dem Kind das zu geben, was es benötigt. Und damit sind nicht materielle Aspekte gemeint, sondern die individuellen, emotionalen Bedürfnisse des Kindes.
Dann wappnete sie mich auch schon für eine Herausforderung: Schwierig würde es in der Pubertät werden, denn dann würde der Ablösungsprozess des Kindes stattfinden. Da man aufgrund der Umstände eine sehr enge Einheit bilden würde, kann dieser Prozess sehr schwer werden.
Sichere Bindung
Die Psychologin verwies im Gespräch immer wieder auf wissenschaftliche Studien. Das gab mir insgesamt ein sehr gutes Gefühl bei der Beratung. Ich vertraue auf diese Erkenntnisse. Dass, was sie mir riet war fundiert und der aktuelle Stand der Wissenschaft. Hierzu teilte sie mir mit, dass nach Erkenntnissen aus der Bindungsforschung ein Kind nach 14 Monaten sicher gebunden sein kann. Und dass es Tests geben würde, mit denen man diese Bindung prüfen könnte.
Für mich hat eine sichere Bindung des Kindes zu mir absolute Priorität. Daher war ich erleichtert, zu hören, dass eine sichere Bindung in dieser Zeit möglich ist. Denn dabei handelt es sich genau um die 14 Monate Elternzeit, die man in Deutschland nehmen kann. Plus die Mutterschutz-Zeit würde uns also ausreichend Zeit geben, eine sichere Bindung aufzubauen, bevor ich wieder anfangen würde, zu arbeiten.
Mein Fazit
Zu allererst: Meinen Irrglauben, dass ich eine Begutachtung über mich ergehen lassen müsste, konnte schnell aus dem Weg geräumt werden. Auch war ich zu Beginn skeptisch und fand es unfair, eine psychosoziale Beratung für Solomütter über mich ergehen zu lassen. Aber mit dem Wissen aus dem Termin muss ich nun doch zugeben, dass ich durch die Beratung eine Vielzahl an relevanten Informationen erhalten habe. Die Solomutterschaft wurde auf vielfältige Art und Weise bezüglich bindungsrelevanter, psychologischer Aspekte beleuchtet. Ich habe nun deutlich mehr Anknüpfungspunkte, an die ich mich ich in schwierigen Situationen wenden kann. Und ich habe nun mehr psychologisches Hintergrundwissen, das mir hilft, auf mich zukommende Situationen zu verstehen und besser zu meistern.
Und auch, wenn mich ihre Buchempfehlungen jetzt noch nicht reizen, weiß ich genau, dass der Zeitpunkt kommen wird, an dem ich diese Bücher verschlingen werde.
Zum Ende des Gesprächs bot sie mir noch an, bei weiteren Fragen – und sei es erst im Laufe der Kindeserziehung – auf sie zukommen zu können.
Im Nachhinein betrachtet möchte ich diese Stunde nicht missen und muss meine anfängliche Skepsis revidieren. Mittlerweile würde ich wohl selbst so eine Beratungsstunde empfehlen.
Leseempfehlungen
Zu guter Letzt gab sie mir noch zwei Buchempfehlungen mit, die ich ungeprüft an alle Interessierten weitergebe.
Single Mother by Choice
A Guidebook for Single Woman Who Are Considering or Have Chosen Motherhood
Jane Mattes
Baby Jahre
Entwicklung und Erziehung in den ersten 4 Jahren
Remo H. Largo
Mein Tipp
Wer eine günstigere psychosoziale Beratung in Anspruch nehmen möchte, kann dies bei proFamilia tun.
6 Gedanken zu „Psychosoziale Beratung für Solomütter: Notwendiges Übel oder hilfreiche Infos?“
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