Eine der schwierigsten Entscheidungen nach der Entscheidung für meine Solomutterschaft war für mich die Wahl des Samenspenders. Bei einer Samenbank habe ich mich schon sehr früh im Laufes des Prozesses angemeldet. Einfach, weil ich neugierig war. Ich habe mich aus Gründen, die ich heute nicht mehr erinnere, für die European Sperm Bank entschieden.
Die Rechtslage in Deutschland
In Deutschland ist es seit 2018 so, dass die Spender per Gesetz einer offenen Samenspende zustimmen müssen. Die Rechtslage ergibt sich aus dem Samenspenderregistergesetz (SaRegG) und besagt, dass jede Person ein Recht auf Auskunft über seine eigene genetische Abstammung haben muss. Kinder, die aus einer Samenspende entstehen, können daher ab ihrem 16. Lebensjahr erfahren, wer ihr biologischer Vater ist. Finde ich ja ganz gut, diese Regelung. So bleibt das Kind nicht sein Leben lang im Ungewissen über seine väterliche Abstammung.
Bei mir ist es so, dass mein Großvater väterlicherseits nicht bekannt ist. Ein äußerliches Attribut, dass nur ich in unserer Familie aufweise, hat mich lange Jahre beschäftigt. Ich wollte immer wissen, ob ich es von ihm habe. Oder ob es noch weitere Nachkommen, also Verwandte, aus der Linie gibt. Leider ist beides nie geklärt worden und beschäftigt mich bis heute. Allein aus meiner persönlichen Erfahrung heraus finde ich diesen rechtlichen Ansatz des SaRegG daher sehr gut. Aber zurück zur European Sperm Bank (ESB).
Nach einer Anmeldung bei der ESB kann man demnach als Deutsche einen Filter für diejenigen Samenspender setzen, die sich für eine offene Samenspende bereiterklärt haben. Das sind zwar noch eine ganze Reihe, jedoch deutlich weniger als vorher. Und dann hat man die Qual der Wahl. Man kann weiter filtern nach Kriterien wie zum Beispiel Größe, Ethnie, Augen- und Haarfarbe. Auf den Profilen der einzelnen Spender sieht man mindestens ein, oft aber mehrere Foto(s) vom Spender als Baby oder Kleinkind. Auch gibt es Schrift- und Stimmproben, die man sich ansehen bzw. anhören kann.
Wie wählt man einen Samenspender?
Wie nähert man sich nun aber dem Spender, der es am Ende sein soll? Ich bin so vorgegangen, wie ich es auch bei der Wahl eines potentiellen Partners gemacht hätte. Ich habe alle Filter so gesetzt, dass diejenigen Männer, die in mein Beuteschema passten, angezeigt wurden. Als ich mich dann das erste Mal durch die daraus resultierenden Spenderprofile geklickt habe, war alles noch recht aufregend. Irgendwie spielerisch. Ich habe mich durch die Fotos geklickt und diejenigen Samenspender als Favoriten gespeichert, die mich weiterhin angesprochen haben. Das waren gar nicht so viele. Vier bis fünf vielleicht. Und eine nächste Ernüchterung folgte direkt: Sie waren alle zu dem Zeitpunkt nicht verfügbar. Aber gut, noch wollte ich ja gar kein Sperma kaufen.
Als ich in meiner Entscheidung zur Solomutterschaft dann weiter war, eine Kinderwunschklinik ausgewählt hatte und die tatsächliche Senderwahl näher rückte, habe ich noch mal ganz anders auf die Spender geschaut. Viel kritischer. Nach wie vor war mir der Eindruck auf den Fotos am wichtigsten.
Ich schaue bei der Wahl des Samenspenders schon auf die Fotos und überlege, wie sieht der Mann jetzt aus? Könnte er mir als Erwachsener gefallen? So würde ich es schließlich auch bei einem Partner machen. Zuerst das Optische. Auch, weil ich Sorge hätte, dass ich mein Kind nach der Geburt nicht leiden und ablehnen könnte. Ich habe ein äußeres Merkmal, dass ich gerade auf einen Jungen nicht übertragen möchte. Daher hatte ich berechtigte Sorge, dass dies passieren könnte und ich mein Kind dann ablehnen würde. Wenn dann nicht mal ein Vater anwesend wäre, um das aufzufangen, wäre das fatal. Um dem also vorzubeugen möchte ich so sicher wie nur möglich gehen, dass ich mich mit dem Spender wohl fühle.
Da die Auswahl dann aber so klein war, war ich schon besorgt. Was, wenn ich mir einen Spender aussuchen müsste, mit dem ich mich nicht 100 %ig wohlfühlen würde? Und wenn ich das Kind nach der Geburt dann deswegen ablehnen würde? In der psychosozialen Beratung wurde mir zudem gesagt, dass man direkt in den ersten Tagen nach der Geburt automatisch das Gesicht des Vaters im Gesicht des Kindes suchen würde. Der Spender wäre in den ersten Tagen also sehr präsent. Ich ärgerte mich dann auch wieder über die Gesamtsituation. Diese Fragen würde sich eine Frau in einer Beziehung vermutlich nie stellen.
Das für mich Schlimmste war: Viele meiner Lieblingsspender waren immer noch nicht verfügbar. Das hat mich, um ehrlich zu sein, ordentlich umgetrieben. Es leuchtet mir schon ein, dass ich nicht die Einzige bin, die dort „einkauft“. Und auch, dass nicht alle Spender regelmäßig spenden. Aber für mich und die daraus entstehenden Konsequenzen hatte das einen großen Einfluss. Wenn ich den Vater meines Kindes schon nicht als erwachsene Person kenne oder auf Fotos gesehen habe, dann wollte ich sie zumindest vom Profil her überzeugend finden. Ich wollte mich nicht auf einen faulen Kompromiss einlassen. Ich hatte eh schon das Gefühl, mit dem ganzen Weg als Solomutter einen faulen Kompromiss eingehen zu müssen. Nicht auch noch bei der Wahl des Samenspenders – nein! Und trotzdem saß ich dann erst mal vor der Webseite und verzweifelte ob der Tatsache der nicht vorhandenen Samenspenden.
Spermaspenden – ein umkämpfter Markt
Um mir dann einen Überblick darüber zu verschaffen, wie häufig die Spenden wieder verfügbar würden, habe ich bei all meinen Favoriten die Funktion ausgewählt, dass ich bei Verfügbarkeit informiert würde. Und siehe da, einer der Spender war nach ein paar Tagen wieder verfügbar. Leider nicht mein absoluter Favorit.
Etwa eine Woche später wurde der nächste Spender als wieder verfügbar angezeigt. Da beruhigte mich wieder ein bisschen. Dieser war mir schon lieber. Aber dann folgte gleich der nächste Schock: Er war innerhalb von ein paar Stunden schon wieder ausverkauft. Danach wurde ich wochenlang nicht mehr über verfügbare Spenden informiert. Meine Enttäuschung war groß. Mir wurde bewusst, was für ein krasser Markt das war. In ein richtiges Haifischbecken hatte ich mich da begeben.
Das würde noch ziemlich schwierig werden, dachte ich mir. Ich klickte mich durch weitere Profile und konnte mich einfach nicht durchringen, meine Auswahl um mehr als 2-3 Spender zu erweitern. Und selbst diese weiteren Spender stellten für mich schon einen deutlichen Kompromiss dar. Ich war mir bei ihnen nicht sicher, ob ich sie im Falle des Falles wirklich auch bestellen würde. Es war so schwer. Und ich war innerlich sehr aufgewühlt deswegen.
Wechsel der Samenbank?
Sollte ich mich vielleicht noch bei einer anderen Samenbank anmelden und mich dort durch die Profile klicken? Es gab schließlich auch Samenbanken, bei denen man Bilder der Spender als Erwachsene sehen konnte. Wenn auch als zusätzliche Option und damit mit noch mehr Geld, dass ich investieren müsste. Aber wäre das Geld nicht vielleicht gut investiert? Ich würde ja sonst den Vater meines Kindes im klassischen Falle zuerst nach optischen Merkmalen auswählen und dann weiter kennenlernen und als Partner wählen – oder eben nicht.
Letztendlich habe ich mich dann aber doch dazu entscheiden, bei der ESB zu bleiben. Zu viel Auswahl kann auch dazu führen, dass es noch schwieriger wird, mich zu entscheiden. Das kenn ich schon vom Essengehen und bin heilfroh, dass meine Auswahl als Vegetarierin oft nur auf wenige Gerichte reduziert ist. Und am Ende waren meine favorisierten Spender auch immer mal wieder verfügbar. Ich habe mich dann darauf verlassen, dass zum Zeitpunkt, an dem ich dann tatsächlich Sperma kaufen müsste, schon der Richtige verfügbar sein würde. Wir werden sehen…
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